Liebe Leserin, lieber Leser,

wahrscheinlich haben Sie sich auch überlegt, was Sie im nächsten Jahr anders oder vielleicht einfach nur konsequenter machen möchten. Ich bin in den letzten Jahren gut damit gefahren, die volle Verantwortung zu übernehmen für alles, was ich tue. Aber das war nicht immer so. Während meiner Zivildienstzeit war ich im Hol- und Bringdienst in der Psychiatrie in Heppenheim beschäftigt. Wir transportierten einfach alles: Essen, Möbelstücke, Patienten, aber vor allem eins: Wischmöppe. Dabei konnten einzelne Putzkräfte bei uns Bestellungen aufgeben, so dass wir sie mit frischem Vorrat an Wischmöppen belieferten. Eine Putzkraft, ein männlicher Kollege aus Afrika, sprach einen wilden Mix aus Deutsch und Englisch und hatte einen großartigen Akzent. Für mich als jugendlichen, ambitionierten Stimmenimitator eine echte Herausforderung. Zur Aufheiterung entschloss ich mich, über das Haustelefon in unserem Waschhaus bei dem alteingesessenen Kollegen J. Winkler mit dem besagten Dialekt eine stolze Summe von 120 Wischmöppen für Station 3.6 zu bestellen. Dieser schluckte den ausgelegten Köder. Er brachte prompt die besagte Lieferung auf die Station, wo die entsprechende Putzkraft in Streit über die angebliche Bestellung mit meinem Kollegen geriet, der die Bestellung ja eben persönlich empfangen hatte. Was ich nicht wusste und erst später erfuhr: die Putzkraft litt an Schizophrenie, einer Krankheit, die mit Stimmenhören und Wirklichkeitsverlust einhergeht. Aus einem kleinen Zivi-Spaß entstand ein richtig großer Schlamassel, der darin mündete, dass unser Waschhausmitarbeiter und die Putzkraft sich lautstark anschrien und die Vorgesetzten involviert wurden. Und jetzt kommt der Aspekt, für den ich mich heute schäme: ich hatte damals nicht den Mut, die Karten auf den Tisch zu legen und die Verantwortung für meine Tat zu übernehmen. Die Wellen waren bereits so hoch geschlagen, dass ich es selbst mit der Angst zu tun bekam. Zu meinen involvierten Kollegen sagte ich: „Verratet ja kein Wort!“ Ich war schlichtweg zu feige, zu dem zu stehen, was ich selbst – wenn auch unbeabsichtigt - herbeigeführt hatte.

Wenn man heute in die Welt schaut, dann sieht man, dass das Konzept, Dinge zu tun und am Ende nicht dazu zu stehen, sondern zu lügen und zu vertuschen, auch von den großen einflussreichen Figuren der Weltpolitik und der Wirtschaft fleißig betrieben wird. Jedoch planmäßig und durchdacht. Und scheinbar kommen viele Menschen damit auch noch durch. Doch wer Unrechtes tut, steht auch vor einem großen Problem: Er muss die Realität soweit vertuschen und verbiegen, dass sie für andere bekömmlich wird. Eine Aufgabe, die in der heutigen Zeit der superschnellen und transparenten Kommunikation immer unmöglicher wird.

Wer sich an die Wahrheit hält, hat es leichter. Wahrheit ist stark. Sie muss nicht manipuliert und aufbereitet werden. Die Wahrheit ist am Ende mächtiger als jede noch so perfekt inszenierte Lüge. Und wenn wir es schaffen, so zu handeln, dass wir die Realität nicht mehr verbiegen oder vertuschen müssen, sondern mit der Wahrheit leben können, dann haben wir viel erreicht. In diesem Sinne wünsche ich mir für mich, aber auch für Sie, dass wir im kommenden Jahr so handeln werden, dass wir nichts zu verstecken brauchen. Alles Gute für das Jahr 2016.

 

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